Montag | 26.06.2023 | 19:00 h
In memoriam: Prof. Birgit Hein
Experimentalfilm und Medienkunst
(Videomitschnitt ihres Vortrags)
"Die Entwicklung der Medienkunst seit den 60er Jahren wird im Zusammenhang mit der Happening und Fluxusbewegung entscheidend durch die innovative Praxis des Avantgardefilms geprägt, dessen Tradition bis in die 20er Jahre zurückreicht als bildende Künstler wie Man Ray, Leger, Duchamp, Richter und Ruttmann neben den klassischen Medien auch mit Film arbeiteten." (BH) – Der Vortrag wurde am 08.04.2013 im Filmforum-Programm zum 40sten Jubiläum der Filmklasse gehalten und liefert auch eine Einordnung der Filmklasse in die Geschichte des Experimentalfilms und der Medienkunst.
Videomitschnitt des Vortrags (95 min), darin Filmbeispiele u.a.:
Man Ray - Le retour à la raison
2:20 min | 1923 | digifile (35mm) | bw | sound | OV (nodialog) | FR
Oskar Fischinger - Allegretto
2:30 min | 1936 | digifile (35mm) | col | sound | OV (nodialog) | US
Len Lye - Rainbow Dance
2:50 min | 1936 | digifile (35mm) | col | sound | OVen | UK
Andy Warhol - Sleep
2:30 min (Ausschnitt aus 6h) | 1964 | digifile (16mm) | bw | silent | OV | US
Robert Rauschenberg - Open Score (Videoperformance)
1:40 min (Ausschnitt) | 1966 | digifile (16mm) | bw | sound | OVen | US
Paul Sharits - Piece Mandala / End War
4:36 min | 1966 | digifile (16mm) | col | sound | OV (nodialog) | US
Birgit Hein (*1942 †2023), 1966-1988 Experimentalfilme, Performances und Installationen mit Wilhelm Hein. Mitbegründerin von XSCREEN in Köln 1968. Eigene Filme seit 1991. Seit 1971 zahlreiche Veröffentlichungen zum Experimentalfilm u.a. ‚Film im Underground‘, Berlin 1971 und ‚Film als Film‘, Stuttgart 1977. Teilnahme an der Documenta 5 (1972) und Documenta 6 (1977). Cineprobe im Museum of Modern Art New York 1996. Tourneen durch USA und Kanada sowie nach Pakistan, Indien und China für das Goethe Institut. Filme in internationalen Sammlungen u.a. im Musée d‘Art Moderne Paris (Centre Pompidou). Retrospektiven der Filme u.a. in Berlin, New York, Montreal, Madrid und Rotterdam. Preis der deutschen Filmkritik 1992. Kunstpreis des Landes Niedersachsen 1998. – Von 1990-2007 Professorin für Film und Video an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Fluxus und die Anfänge der Medienkunst
Die Geschichte der Medienkunst beginnt mit den Avantgardefilmen der 20er Jahre.
Aus heutiger Sicht sind vor allem die theoretischen Schriften von Laszlo Moholy-Nagy wegweisend, der bereits 1925 fordert, alle zur Zeit verfügbaren optischen Techniken für die künstlerische Gestaltung zu nutzen.
Dennoch wird die bildende Kunst bis zum Ende der 50er Jahre nahezu ausschließlich von den klassischen Kunstmedien dominiert.
Erst um 1960 beginnt mit der Happening und Fluxus Bewegung die Entwicklung der Medienkunst, die bis heute immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
Fluxus stellt den künstlerischen Gestaltungsakt grundsätzlich in Frage. Die Loslösung von den traditionellen Kunstmedien und Gestaltungsprinzipien macht nun jedes Medium für die Kunst akzeptierbar und es wird möglich, die Grenzen zwischen den einzelnen Medien Film, Musik, Skulptur und Malerei aufzuheben.
Mitte der 60er Jahre arbeiten Maler, Bildhauer und Performer wie Andy Warhol, Robert Morris, Richard Serra, Joseph Beuys, Bruce Naumann, Carolee Schneemann und Yvonne Rainer auch mit Film.
Auf dem New Cinema Festival 1965 in der Film-Makers Cinematheque in New York führen Künstler wie Stan Vanderbeek, Robert Rauschenberg und Claes Oldenburg Expanded Cinema Performances auf. Nam June Paik präsentiert hier seinen 'Zen For Film' zum ersten Mal live als ‚lebender Film’.
1966 stellt George Maciunas die Fluxusfilm Anthology zusammen u.a. mit Filmen von Wolf Vostell, George Brecht und Yoko Ono.
Zu dieser Zeit entsteht der Begriff der ‚Expanded Arts’. Unter dieser Überschrift erscheint 1966 das Sonderheft der Zeitschrift Film Culture mit einem Diagramm von George Maciunas, das alle zeitgenössische Avantgardekunst mit einander verbindet.
Den ersten Höhepunkt der Verbindung von Kunst und Technik stellen 1966 in New York die ‚9 Evenings of Theater and Engineering’ dar, wo Künstler wie Robert Rauschenberg und John Cage mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten, um Performances mit neuen Technologien wie Videoprojektionen und drahtloser Tonübertragung zu entwickeln, die es bis dahin in der Kunst noch nicht gegeben hatte.
Ende der 60er Jahre verändert sich die Kunstszene, denn die meisten Künstler ersetzen nun Film durch Video. Nam June Paik und Wolf Vostell entwickeln ihre Videobänder und Installationen. Video wird das neue Kunstmedium in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts.
Birgit Hein
[ Abbildung oben: Birgit Hein im Filmforum (2013) zum 40sten Jubiläum der Filmklasse ]