Montag | 19.01.2026 | 19:00 h (hybrid)
Kurzfilmprogramm: Rave Musikvideos - Bass trifft Bild
(kuratiert und präsentiert von Franziskus Bries)
(Anschl. Online-Q&A mit den Filmemacher*innen
DJ Hundefriedhof (HGich.T) & Lexia Starnum)
Seit den 90er-Jahren prägen EDM-Genres wie Techno, Trance, Eurodance, Goa, Gabber oder House die europäische Club- und Musikkultur. Mit dem Eintreten dieser Genres in den Mainstream entstanden zahlreiche Musikvideos, welche sich seither zwischen Futurismus, Industrial, Queerness, Trash, Retro und Amateurästhetik bewegen. Nach dem Höhepunkt der Rave-Kultur galt die Szene ab den 2000er-Jahren lange als tot - lang lebe der Underground. Seit den 2020er Jahren sind die Rave-Genres nun wieder im Mainstream anzutreffen, jedoch in einem neuen-alten Gewand. Heute dominieren vor allem bewusst unperfekte Bilder, VHS-Looks, Retrooptiken und die Annäherung an Amateurästhetik. Stellt sich die Frage, ob dieser neue Style eine Hommage an die 90er, die Blütezeit der Rave-Kultur, darstellt, oder ob es sich dabei eher um den Versuch handelt, ein „Underground-Sein“ zu inszenieren und somit die dahinterstehende Seite der Musikindustrie zu verschleiern. Wie dem auch sei, für beide Seiten (Popkultur und Underground) bietet das Unperfekte neue Chancen. (FB)
Filmprogramm (74 min)
U96 – Das Boot (3:28 min | 1991)
TIEFBASSKOMMANDO – KEVIN (3:29 min | 2025)
Faithless – Insomnia (3:35 min | 1995)
Sash! – Encore Une Fois (3:32 min | 1996)
DJ HUNDEFRIEDHOF – Kartoffelpuffer mit Apfelmus (11:33 min | 2024)
MYSTIC – Ritmo de la Noche (3:49 min | 1991)
SCHROTTHAGEN – PAIN IN MY HEART (4:40 min | 2024)
Miss Bashful – Trophy Wife (4:15 min | 2024)
HorsegiirL – My Little White Pony (4:33 min | 2022)
pathetic240px – DANCING NIHILIST (3:37 min | 2008)
Joost – Filthy Dog (1:59 min | 2024)
Will Sparks & New World Sound - LSD (4:56 min | 2022)
K. RONALDO – Coco Jambo (5:44 min | 2016)
Party Animals – Have You Ever Been Mellow (3:08 min | 1996)
HGich.T – die letzten titten von betlehem (3:19 min | 2012)
Mind Enterprises – Idol (4:12 min | 2017)
U96 – Club Bizarre (3:30 min | 1995)
DJ HUNDEFRIEDHOF ist Gründungsmitglied des Performance-Kollektivs HGich.T, das mit ihren chaotischen, humorvollen Auftritten frühe Internet-Subkulturen in Deutschland geprägt hat. - Gemeinsam mit Lexia Starnum verbinden beide heute elektronische Musik mit Gesang über ihre Liebe zu Pflanzen, Tieren und Pilzen. In ihren Videos verschmelzen dabei klassische YouTube-Formate wie Tutorials, Vlogs oder Erklärvideos mit Musikvideo-Elementen – irgendwo zwischen Internetchaos und Performancekunst.
Längerer Text:
Seit den 90er-Jahren prägen EDM-Genres wie Techno, Trance, Eurodance, Goa, Gabber oder House die europäische Club- und Musikkultur. Mit dem Eintreten dieser Genres in den Mainstream entstanden zahlreiche Musikvideos, welche sich seither zwischen Futurismus, Industrial, Queerness, Trash, Retro und Amateurästhetik bewegen.
Nach dem Höhepunkt der Rave-Kultur galt die Szene ab den 2000er-Jahren lange als tot – lang lebe der Underground. Seit den 2020er-Jahren sind die Rave-Genres nun wieder im Mainstream anzutreffen, jedoch in einem neuen-alten Gewand. Heute dominieren vor allem bewusst unperfekte Bilder, VHS-Looks, Retrooptiken und die Annäherung an Amateurästhetik.
Stellt sich die Frage, ob dieser neue Style eine Hommage an die 90er, die Blütezeit der Rave-Kultur, darstellt – oder ob es sich dabei eher um den Versuch handelt, ein „Underground-Sein“ zu inszenieren und somit die dahinterstehende Seite der Musikindustrie zu verschleiern. Diese industrielle Aneignung von Amateurfilm-Ästhetiken hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen Popkultur und echten Nischen zunehmend verschmelzen.
Was für den freien und unangepassten Underground wie eine Katastrophe klingen muss, kann aber auch neue Chancen eröffnen: Ein Mainstream, der sich bewusst amateurhaft gibt, verändert die Sehgewohnheiten vieler Zuschauer*innen. Das kann eine neue Offenheit schaffen – für bislang unkonventionelle, rohe Produktionen und eher freie und experimentelle Nischen.
Im besten Fall folgt daraus ein Schritt hin zur Demokratisierung von Medienproduktion und medialer Aufmerksamkeit: Wenn Sehgewohnheiten breiter werden, wächst die Chance, dass Amateur- und Underground-Produktionen nicht nur als Randphänomen wahrgenommen, sondern in ihrer künstlerischen und gesellschaftlichen Bedeutung ernst genommen werden.
[ Abbildung oben: aus dem Film ‚Kartoffelpuffer mit Apfelmus' (2024) von DJ Hundefriedhof ]